„Ich finde es faszinierend, weil es ästhetisch ist“ 

Speyerer Tagespost
07.11.2002

 

Die Synchronschwimmerinnen, Nadja Brech und Carmen Weiß, sowie Verbands-Fachwartin Annette Dinies über den Sport mit Nasenklammer


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Fast täglich im oder am Wasser: Nadja Brech und Carmen Weiß, die am Samstag beim Jugend-Ländervergleich im Synchronschwimmen gefordert sind, sowie Annette Dinies (v. re.), die als Sportwartin in Sachen Organisation des Wettkampfes im Hallenbad viel um die Ohren hat. Foto: Brückl

Speyer (mb). - Das Hallenbad in Speyer wird am Samstag zum Schauplatz des süddeutschen Jugend-Ländervergleichs im Synchronschwimmen, der nach 1996 dieses Jahr turnusgemäß wieder vom Südwestdeutschen Schwimmverband (SWSV) ausgetragen wird. Die Landesverbände Baden, Württemberg, Bayern, Hessen, Sachsen und Saarland werden Vertretungen entsenden und sich mit der SWSV-Mannschaft messen, die sich komplett aus Domstädterinnen rekrutiert und dem Wassersportverein Speyer (WSV) angehört. Annette Dinies, Sportliche Leiterin des WSV, übernahm auch das Amt der Fachwartin für Synchronschwimmen beim SWSV. Die Tapo sprach mit der 35-Jährigen und den Synchronschwimmerinnen Carmen Weiß (18) und Nadja Brech (17) über diesen außergewöhnlichen Sport.

Frau Dinies, was macht das Synchronschwimmen aus, worauf kommt es dabei vor allem an?

Dinies: Es ist die Kombination des Elements Wasser mit Musik und Rhythmusgefühl, die Eleganz der Präsentation, der Einklang der Bewegungen, die das Synchronschwimmen ausmachen. Vier oder acht Schwimmerinnen machen zu jedem Takt das Gleiche. Ich finde es faszinierend, weil es ästhetisch ist, man andererseits auch viel Kraft braucht. Es gehört alles dazu: Ballett, Tanz, Schwimmen, Kraft und Beweglichkeit. Das muss man normalerweise auch alles trainieren. Die besten Synchronschwimmer machen das auch. Wir haben uns in den vergangenen drei Wochen so gut wie täglich auf den Wettkampf am Samstag vorbereitet. Aber meist im Wasser. Ein-, zweimal die Woche haben wir Gymnastikübungen gemacht.

Und was fasziniert euch, warum habt ihr mit Synchronschwimmen vor sieben Jahren angefangen?

Weiß: Weil es etwas Besonderes ist und Spaß macht. Ich habe vorher Rock’n’Roll gemacht. Synchronschwimmen ist von der Ausdauer her viel anstrengender.

Brech: Das macht nicht jeder. Man macht Sport und der ist auch noch elegant – nicht wie beim Boxen einfach draufhauen. Es hat weibliche Züge wie das Ballett.

Weiß: Viele fragen oft, ob es überhaupt zu Sport zählt und tun es etwa mit Sprüchen wie „das bisschen Rumpaddeln im Wasser“ ab.

Dinies: Diejenigen, die über Synchronschwimmen lachen, sind die, die es noch nicht gesehen haben.

Brech: Viele finden es aber auch toll und interessant, dass ich das mache.

Sind es dann eher Männer, die über Synchronschwimmer lachen?

Weiß und Brech: Nein, das hält sich die Waage, 50:50.

Wie wird die beste Mannschaft am Samstag ermittelt?

Dinies: In die Mannschaftswertung gehen zwei Solo-Vorträge, zwei Duette und die Gruppen-Präsentation ein. Es gibt einen Pflicht- und einen Kür-Teil. Bei der Pflicht müssen vier Teile geschwommen werden. Obligatorisch sind „Handstand Drehung Schraube“, „Überschwung rückwärts“ und „Schließen 360 Grad“. Aus vier Gruppen wird der vierte Teil zugelost, die muss man also auch alle beherrschen. Aus Gruppe eins könnte das beispielsweise ein „Barracuda“ oder ein „Albatros Twirl“ sein. In der Kür sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Die bis zu zehn Wertungsrichter vergeben eine A- und eine B-Note für den technischen Wert und den künstlerischen Eindruck.

Wie entsteht so eine vieminütige Kür?

Dinies: Wir suchen eine Musik, die uns gefällt, zählen sie durch – man kann fast immer auf acht durchzählen – und schauen, wo die Höhepunkte des Stücks liegen. Dann setzen wir uns hin, überlegen uns etwas dazu und probieren im Wasser aus, ob es tatsächlich so funktioniert, wie wir uns das im Trockenen erdacht haben.

Im Wettkampf ist es doch aber schwer, unter Wasser die Musik zu hören?

Dinies: Wieso? Unter Wasser sind doch auch Lautsprecher.

Wo bekommt man eigentlich die Nasenklammern her. Doch bestimmt nicht im Sportgeschäft nebenan?

Dinies: Dafür gibt es extra Kataloge. Die kann man bestellen.

Dürfen eigentlich auch Männer Synchronschwimmen betreiben?

Dinies: Ja klar. Es gibt sogar mit dem Amerikaner Bill May einen richtig guten Synchronschwimmer. Er hat die 13. German Open in Bonn dieses Jahr gewonnen.

Und welches sind die besten Nationen?

Dinies: Bei den Europameisterschaften in Berlin dominierten Russland, Spanien und Frankreich. Deutschland war Elfter in der Nationenwertung. © Stichwort

Stichwort

Synchronschwimmen fand seine Anfänge 1892, als in England Meisterschaften im „Scientific and Ornamental Swimming“ ausgetragen wurden. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts kam diese Form nach Holland, Deutschland, Belgien und Frankreich sowie auch nach Kanada. Hieraus entstand in Deutschland das „Figurenlegen“ – Musik diente nur der Untermalung. Meisterschaften darin gab es ab 1931. Synchronisiertes Schwimmen wurde erstmals 1934 im Rahmen der Weltausstellung in Chicago präsentiert. 1945 gab es dann auch Wettkampfbestimmungen für diese Disziplin. Synchronschwimmen nahm der Deutsche Schwimmverband 1957 in sein Wettkampfprogramm auf. Zu dieser Zeit war es in den USA längst sehr beliebt geworden. 1973 fanden die ersten Welt-, 1974 die ersten Europameisterschaften statt. Olympisch wurde der Sport 1984, seit 1996 aber nur noch für Gruppen. Männer dürfen seit 1991 bei Meisterschaften aktiv sein, mit einer Ausnahme: Bei Olympia haben Männer „Synchronschwimm-Verbot“. (mb)